Straßen & Hausnummern

In einem Dorf, wo jeder jeden kennt ...

... braucht man keine Hausnummern.

Foto: Tafel BrandversicherungsanstaltFoto: Postkarte von 1919 adressiert an Raibach 4Hausnummern galten als eine Erfindung der Obrigkeit. Als Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt, der spätere Großherzog Ludewig I. von Hessen, im Jahre 1767 die Hessische Brandversicherungs-Anstalt gründete, mussten alle Hausbesitzer eine Feuerversicherung abschließen. Für ganz Hessen wurde ein sogenanntes Brandkataster erstellt; das für Raibach war erst 1802 fertig. Die 80 Häuser im Dorf, inklusive Rathaus, Kirche und Schule, waren nun fortlaufend durchnummeriert.

Etwa 70 Jahre später kam die Pflicht hinzu, die landesweit einheitlichen, blauen Emaille-Schilder mit den Hausnummern gut sichtbar an jedem Haus anzubringen. Im Alltag der Menschen spielten die Hausnummern weiterhin keine Rolle, und der Raibacher Postbote kannte jeden im Dorf.

Die Ortsstraße hatte in all den Jahren keinen Namen. Das änderte sich erst in der Hitler-Zeit. Der Reichsverordnung vom Juli 1933 vorauseilend, wurden in Raibach bereits im Mai (!) 1933 der Platz an der Kirche in „Adolf-Hitler-Platz“, das dreieckige Plätzchen am Ende der Bachgauer Hohl in „Hindenburg-Platz“ umbenannt.

Abbildung: Auszug aus dem Einwohnerbuch von 1938Foto: Hausnummer 42Am 7. März 1936 bestimmte der Gemeinderat, dass das Unterdorf ab sofort „Hermann-Göring-Straße“ heißen sollte, das Oberdorf „Horst-Wessel-Straße“. Das Einwohnerbuch des Kreises von 1938 (links) zeigt, dass es am Ende genau umgekehrt war.

Die Häuser wurden jetzt erstmals nach einer anderen Systematik nummeriert: Von der Ortsmitte ausgehend, erhielten die Gebäude auf der linken Straßenseite gerade und die auf der rechten Straßenseite ungerade Hausnummern.

Kaum waren am 27. März 1945 die Amerikaner einmarschiert, wurde der Benennung der Straßen und Plätze nach Nazi-Größen rückgängig gemacht. „Unterdorf“ und „Oberdorf“ wurden amtliche Straßennamen. Was blieb, waren die Hausnummern von 1936.

Karte: Standort der Tafel und benachbarte StandorteNeue Straßen kamen im Laufe der Jahre hinzu, die „Ringstraße“, und, orientiert an alten Flurbezeichnungen, „Auf der Hölle“, „Auf der Beine“ oder „Am Schützenrain“.

Am 1. April 1972 wurde Raibach nach Groß-Umstadt eingemeindet. Aber erst im Zuge der Gebietsreform von 1976 beschloss die 44. Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der fünf Raibacher Abgeordneten einstimmig die Umbenennung der Raibacher Straßen und Wege, die gleichlautend auch in Umstadt oder in anderen Stadtteilen vorkamen.

Aus der „Ringstraße“ wurde der „Fliederweg“, davon gehen seitdem „Ginsterweg“ „Weißdornweg“ „Wacholderweg“ und „Holunderweg“ ab.